Welchen Denkfehler machst du?
1. Ich habe mit meiner Promotion schon genug zu tun. Warum sollte ich Zeit in meine Online-Sichtbarkeit als Wissenschaftler*in investieren?
2. Ich will nichts von mir als Person im Internet zeigen und mich schon gar nicht blamieren. Wieso muss ich Informationen über mich preisgeben?
3. Ich mache mir Sorgen, dass andere meine Forschung für ihre Zwecke missbrauchen. Warum soll ich meine Ideen teilen, wenn sie mir theoretisch jemand wegnehmen kann?
4. Ich will mir meine Karriere nicht verbauen. Macht es nicht einen komisch Eindruck auf potenzielle Arbeitgeber*innen, wenn ich außerhalb der Wissenschaft einen Job suche?
5. Das macht in meinem Forschungsbereich/meiner Forschungsgruppe niemand außer mir. Warum dann gerade ich?
“Kein Denkfehler ist grundsätzlich falsch. Er wirkt sich jedoch auf dein Handeln aus.”
6. Ich will den Menschen nicht auf die Nerven gehen. Sieht das nicht wie Angeben aus, wenn ich über mich und meine tolle Forschung rede?
7. Es reicht doch, wenn auf der Uni-Homepage steht, wer ich bin und woran ich forsche. Wieso sollte ich in den sozialen Medien oder auf einer eigenen Website zu finden sein?
8. Das ist doch völlig selbstverliebt, sich mit Fotos und Videos im Internet zu präsentieren. Bei wem sollte das einen positiven Eindruck hinterlassen?
9. Meine Doktormutter/mein Doktorvater hat mir davon abgeraten und gesagt, ich solle meine Zeit lieber in die Dissertation stecken. Warum sollte sie*er unrecht haben?
10. Ich vernachlässige in den Augen meiner Kolleg*innen meine eigentlichen Aufgaben als Wissenschaftler*in. Warum aktiv werden, wenn von vornherein nur mit wenig Wertschätzung zu rechnen ist?
11. Das verliert alles an Wissenschaftlichkeit, wenn ich meine Forschung Laien erkläre oder in 280 Zeichen quetschen muss. Warum sollte ich meinen Expert*innenstatus
12. Ich möchte schnell und ohne viel Aufwand mit meiner Forschung online sichtbar werden. Woher soll ich die zusätzliche Zeit sonst nehmen?
Online-Sichtbarkeit: Eine Frage der Perspektive
All diese Sätze habe ich schon mehr als einmal in meinen Workshops, Coachings oder Gesprächen mit Wissenschaftler*innen gehört. Und weißt du was?
Ich verstehe diese Argumente so gut. Und nehme jedes einzelne davon ernst.
Es geht mir nicht darum, den Finger in die Wunde zu legen. Nur darum, dir vielleicht eine andere Perspektive aufzuzeigen. Denn wie du bestimmt weißt, lassen sich alle Dinge von (mindestens) zwei Seiten betrachten.
Die Perspektive aus der alle Argumente formuliert sind, beinhaltet Angst, Entmutigung und Überforderung angesichts der unendlichen Möglichkeiten, soziale Medien für die eigene Forschung zu nutzen.
“Schreib dir auf ein Blatt Papier, bei welchen der 12 Denkfehler du innerlich ja genau sagst.”
Angst ist ein normales und wichtiges Gefühl. Es bewahrt uns sehr oft im Leben vor möglichen Gefahren. Manchmal jedoch blockiert sie uns auch. Vor allem tritt sie immer dann auf den Plan, wenn wir vor etwas Unbekanntem stehen.
Entmutigung und Überforderung folgen der Angst. Vielleicht bist du selbst schon entmutigt. Vielleicht lässt du dich durch das Urteil anderer schnell entmutigen.
Mein Tipp: Schreib dir auf ein Blatt Papier, bei welchen der 12 Denkfehler du innerlich “ja genau” sagst. Mach dir damit bewusst, was dich an deiner Online-Sichtbarkeit als Wissenschaftler*in noch zurückhält.
Bewusstheit ist die halbe Miete der Online-Sichtbarkeit
Wie wichtig es ist, sich die eigenen Ängste und Blockaden bewusst zu machen, habe ich in den letzten Jahren selbst immer wieder erfahren.
Der Mut zur Sichtbarkeit hat enorm viel mit dem eigenen Weg der Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Manche sind auf diesem Weg bereits weit fortgeschritten. Andere fangen gerade erst an.
Das allerwichtigste ist, sich auf den Weg zu machen. Wenn du dich auf den Weg machst und erkennst, welche Glaubenssätze in dir wirken, kann dich das einen entscheidenen Schritt nach vorne bringen in punkto Online-Sichtbarkeit.
“Bewusstheit erlangen wir, wenn wir verstehen, welche Gedanken und Gefühle in uns wirken und welche Reaktionen dadurch hervorgerufen werden.”
Autor und Persönlichkeitstrainer Christian Bischoff sagt in seinem Buch “Bewusstheit”: “Bewusstheit erlangen wir, wenn wir verstehen, welche Gedanken und Gefühle in uns wirken und welche Reaktionen dadurch hervorgerufen werden. Bewusstheit erlangen wir, wenn wir uns selbst erkennen.”
Das lasse ich gern so stehen, weil es genau den Kern der Sache trifft. Versuche also im ersten Schritt einmal herauszufinden, ob deine Gedanken deine Online-Sichtbarkeit als Wissenschaftler*in beeinflussen.
Jetzt mal ehrlich!
Lass uns im zweiten Schritt die “neutralen Wahrheiten” hinter den Denkfehlern ansehen. Also, was ist dran an möglichen Stolpersteinen und Hindernissen? Und wofür gibt es welche Lösungsansätze?
Wirklich keine Zeit?
Online-Sichtbarkeit kostet Zeit. Zeit, die du vermutlich auf den ersten Blick nicht hast. Hast du dich mal gefragt, woher andere die Zeit nehmen? Wir haben immerhin alle nur 24 Stunden am Tag zur Verfügung.
Sicher hat es mit den persönlichen Umständen zu tun (Familie, Haushalt, etc.). Oder mit individuellen Fähigkeiten, Dinge schneller oder langsamer zu erledigen.
Vor allem aber wird der Faktor Zeit häufig ins Feld geführt, wenn etwas für uns keine Priorität hat.
Hat Online-Sichtbarkeit für dich Priorität?
Schau darüber hinaus auch mal in meinen Artikel “Keine Zeit für Social Media? 5 Tipps für Wissenschaftler*innen” rein. Hier gibt es Ideen, wie du Zeit sparen kannst.
Warum ich und nicht allein meine Forschung?
Die Menschen, die sich für deine Forschung interessieren, möchten auch wissen, wer da kommuniziert. Das hat mit deinen Fähigkeiten, aber auch mit deiner Persönlichkeit zu tun. Wenn du deiner Community Antworten auf die Fragen lieferst,
- Wie bist du Wissenschaftler*in geworden?
- Was fasziniert dich an deinem Thema?
- Wie sieht dein Alltag als Wissenschaftler*in aus?
dann können Sie Vertrauen zu dir aufbauen. Vertrauen spielt gerade heute in der Wissenschaftskommunikation eine entscheidende Rolle.
Deshalb kann Forschung nie ganz vom Forschenden getrennt werden. Dabei musst du nie private Details über dich preisgeben. Sei persönlich, nicht privat.
Setz dich mal hin und notiere drei bis vier Dinge, die die Welt da draußen über dich als Forscher*innenPERSÖNLICHKEIT wissen darf.
Deine Liebe zu Zimmerpflanzen? Die Obsession für Teleskope? Deine feministische Haltung? Die Leidenschaft fürs Kochen? Den Rest behältst du für dich. Ganz einfach.
Wo sind die Vorbilder?
Da noch niemand in deiner Forschungsgruppe Wissenschaft digital kommuniziert und der*die Betreuer*in deiner Promotion dir eventuell auch davon abrät, fehlt es dir natürlich an Vorbildern.
Ich empfehle dir: Suche dir welche! Nichts ist motivierender als zu sehen, was andere erreichen. Und sich davon inspirieren zu lassen.
Versuche auch, von Anfang an selbst ein Vorbild zu sein. Es gibt immer jemanden, der*die noch nicht soweit ist wie du. Und unendlich dankbar ist, wenn du ihn*sie an deinem Weg teilhaben lässt.
Die Art, wie wir kommunizieren, wandelt sich stetig. Doktorväter und Doktormütter gehören häufig einer anderen – ich nenne es mal – Kommunikationsgeneration an.
Forschung wird heute viel öffentlicher miteinander diskutiert als noch vor 10 oder 20 Jahren. Der Stellenwert und die Anerkennung von guter Wissenschaftskommunikation wächst stetig.
Wer hat die Kontrolle?
So ein Kurzprofil auf der Uni-Website reicht doch oder? Kurze Antwort: jein bis nein. Ich gehe davon aus, du wechselst in deinem Leben noch mindestens einmal die Hochschule. Dann ist die Uni-Website und die Arbeit, die du reingesteckt hast, weg.
Bei einer eigenen Website hast du die volle Kontrolle. Darüber wie lange sie online ist. Und über die Inhalte sowieso
Sieh die Arbeit an einer eigenen Website und an deinen Online-Profile als Investition in deine berufliche Zukunft.
Online-Sichtbarkeit ist gut. Was ermöglicht sie dir?
]Online-Sichtbarkeit klingt in deinen Ohren irgendwie egoistisch? Für mich heißt Online-Sichtbarkeit nichts anderes als sehr gute digitale Wissenschaftskommunikation.
Deine Forschung steht im Vordergrund. Und eben auch ein bisschen du. Weil Forschung nicht vom Forschenden zu trennen ist (das hatten wir weiter oben schon).
Wenn du mit deiner Forschung sichtbar bist, hast du die Möglichkeit, dich mit anderen auszutauschen. Das kann deiner Forschung zu gute kommen – zum Beispiel dein Forschungsdesign verbessern oder Kooperationen anstoßen.
Du wirst von Kolleg*innen um Rat gebeten, auf Symposien eingeladen, für Interviews angefragt. Somit hast du natürlich Networking- und Karrierevorteile.
Nicht zuletzt kommst du deiner “Verpflichtung” nach, deine aus Steuergeldern finanzierte Forschung der Öffentlichkeit zu präsentieren und damit transparent zu machen, wie Forschung funktioniert. Du gibst der Gesellschaft also ein Stück weit etwas zurück, was sie zuvor dir ermöglicht hat.
Klingt für mich wie eine Win-Win-Win-Situation. Für dich auch?
Meine Empfehlung: Notiere dir auch an dieser Stelle, was dir Online-Sichtbarkeit ganz persönlich ermöglichen kann.